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Einfach und günstig datenschutzfreundliche Videomeetings für 2-50 Personen durchführen

Hintergrund

Nachdem mein Team im Job Mitte März alle Mitarbeiter in einer anstrengend Arbeitswoche für das Teleworking ausgestattet hat und gleichzeitig die Frage aufkam, wie wir Videobesprechungen mit zahlreichen Mitarbeitern realisieren können, habe ich so ziemlich alle verfügbaren Videokonferenz Tools verglichen, viele getestet und ihre AGB’s und Datenschutz gelesen überflogen.

Auf dem Rad kam mir abends auf dem Heimweg dann der Gedanke, dass wir auch eine Lösung für unsere Kampfkunstschule brauchen.

Wir sind alle vierzig oder älter, da rächt sich jede Woche Pause, vor allem in Kombination mit dem verstärkten Bewegungsmangel im Home Office.

Also ran an den Computer und ein wenig recherchiert. In den datenschutz-affinen Kreisen, in denen ich mich online meistens bewege, wurden schon seit längerem Jitsi und BigBlueButton favorisiert, nach ein paar Tests habe ich mich für einen eigenen Jitsi Server entschieden.

Anforderungen für Videomeeting Server

  • Stabile Verbindung für bis zu 20 Personen (Video und Ton)
  • DSGVO-freundlich
  • Werbefrei
  • Keine Accounts/Anmeldezwang
  • Simpel
  • Open Source
  • Soll auch ohne Installation im Browser funktionieren
  • Serverbetrieb sollte günstig sein, nicht mehr als 20€ pro Monat
  • Server sollte schnell wieder kündbar sein (da dachte ich noch, dass es schneller wieder „normal“ wird)

Gefundene Lösung

  • Ein virtueller Server bei Netcup
    • VPS 500 G8 für 5,29€/Monat
      • 2 Kerne
      • 4GB RAM
      • 40GB Speicherplatz
      • 40TB Traffic
    • Debian Linux als Betriebssystem
    • Jitsi Meet als Meeting Software

Kurzanleitung für Techniklaien - Zum eigenen Jitsi Server in 10 Minuten

Alle IT’ler sollten in der Lage sein, sich mit den gängigen Tutorials, Linux samt Webserver, Java und Jitsi zu installieren, daher hier eine simple Variante, die ich zu Beginn für den ersten Jitsi Test verwendet habe

  1. Netcup Server Control Panel von Netcup aufrufen
  2. Menüpunkt Medien aufrufen
  3. Dort das fertige Debian Buster + Jitsi auswählen
  4. 30 Sekunden warten - fertig
  5. Unter der Server-URL (Webseiten Adresse) kannst du schon deinen Jitsi Server erreichen
  6. Dort einen neuen Meetingraum starten und Freunde, Familie oder wenn auch immer einladen

Wie sowas aussieht und funktioniert, kannst du dir bei Jitsi.org ansehen und testen.

Vorteile der simplen Variante

  • Keine tiefgreifenden IT Kenntnisse benötigt
    • Keine Linux/Server Konfiguration
      • Hinweis: Wenn du den Server nicht nur temporär für einige Wochen oder Monate nutzen willst, solltest du dir anlesen, wie man ein Linux System aktualisiert
  • Für 5,29€ im Monat kannst du dich mit wem auch immer wirklich entspannt privat unterhalten und mußt keiner Firma vertrauen, deren Geschäftsmodell darauf basiert, dich bis auf die Unterwäsche zu durchleuchten
  • Funktioniert gut bis zu 20, eventuell sogar bis zu 40 Personen (bisher nur mit 20 Personen getestet)
  • Reicht für Familien, Freundestreffen und kleinere Firmen aus

Nachteile der simplen Variante

  • Keine eigene Domain wie z.B. meine caliandro.de (kann aber problemlos ergänzt werden, benötigt aber ein wenig Fachwissen oder einen IT Bekannten)
  • Keine personalisierte Jitsi Landing Page
  • Dritte, die die URL deines Servers kennen, können ihn auch nutzen (ist aber unwahrscheinlich)
  • Nicht automatisch ein Let’s Encrypt SSL Zertifikat
    • es ist zwar nur optional, aber empfehlenswert, nur damit gibts das kleine Schlosssymbol als vertrauenswürdig verschlüsselte Website
    • kostenlos
    • hierzu solltest du Linux Shell Grundkenntnisse bzw. Lust haben, sie zu erlernen oder alternativ über eine/n Bekannte/n mit Linux Erfahrung verfügen

Erfahrungsbericht

  • Es funktioniert so gut wie bei den großen, kommerziellen Plattformen
  • Laien kommen damit sehr gut zurecht
  • Apps für Android und iOS verfügbar
  • Zur Teilnahme reicht schon eine schlechte Breitband Internetverbindung aus
  • Verschlüsselung bei 1:1 Videochats
  • Transportverschlüsselung bei Gruppenchats (auf dem Server muss das WebRTC Protokoll entschlüsselt werden, daher ist es so ratsam, einen eigenen bzw. einen vertrauenswürdigen Jitsi Server zu verwenden)
  • Das eigenständige Aufsetzen von Webserver und Jitsi geht recht einfach und schnell und man hat volle Kontrolle
  • Netcup ist als Anbieter sehr flexibel und die versprochenen Leistungen werden auch erbracht
  • Funktioniert leider derzeit nicht so gut mit Firefox
  • Ich vermisse die Möglichkeiten von Useraccounts und Kontrolle wie bei BigBlueButton nicht, mir reicht der integrierte Passwortschutz aus
  • Mittlerweile habe ich auf dem Server auch einige meiner Webseiten sowieo meine private Nextcloud untergebracht, die Performance reicht also für mehr als den reinen Jitsi Betrieb
    • ein Upgrade auf das nächsthöhere vServer Paket geht bei Netcup einfach per Mausklick
  • Einen eigenen Server zu betreiben, bedeutet auch Wartungsaufwand
    • neue Updates und Sicherheitspatches aufspielen
    • sich mit der Konfiguration und Sicherheitsmaßnahmen auseinander setzen
    • regelmäßig Snapshots erstellen, weil man mit den falschen Einstellungen auch schnell etwas schrotten kann
    • Risiko, dass der eigene Server gehackt und dann mißbraucht wird
  • Jitsi’s neuestes Update (Stand 24.04.20) ist nicht mit Debian10 ohne Tweaks kompatibel, ein voreiliges dist-upgrade hat meinen Jitsi Server daher kurzeitig lahmgelegt
  • Ich fühle mich deutlich wohler als bei der Verwendung von Zoom, MS Teams oder Skype und habe auch nicht die dort immer mal wieder vorkommenden Serverprobleme bei Überlast durch die derzeitige Massennutzung
  • Ich bin mit Netcup bisher so zufrieden, dass ich vermutlich meine diversen Webseiten hierhin umziehen werde und den vServer gegen einen dauerhaften Rootserver tauschen werde
  • [2021-02-15 Mo] Update: Es läuft seit mittlerweile zehn Monaten unterbrechungsfrei und reibungslos.